Mali

Mali

15-17. Juni 2016, Reisetag: 78-80
Dakar, Senegal

Spät abends landen wir in Dakar. Wir fliegen mit Iberia. Unseren Rückflug mit Royal Air Marokko haben wir storniert, nachdem die Fluglinie dreimal den Flug ausfallen und uns ungefragt auf irgendwelche anderen Tage umgebucht hat.

Auf der Fahrt vom Flughafen fühlen wir uns auf dem afrikanischen Kontinent schon ein bisschen heimisch. Svenja liebt es, wenn die Straßen voller fröhlicher Menschen sind und einem an jeder Ecke der Geruch einer afrikanischen Großstadt in die Nase steigt. Ein Gemisch aus Gegrilltem, Kaffee, verbranntem Müll und Abgasen. Die Unbeschwertheit und Freundlichkeit, die viele Afrikaner ausstrahlen holen uns sofort wieder ein. Diese entspannte Lebensweise, nach dem Motto „komm ich heute nicht komm ich morgen“ können einen aber sicher auch in den Wahnsinn treiben. Europäer, die hier leben haben es damit vermutlich nicht leicht.

Es lässt uns keine Ruhe, gleich nach dem Frühstück zum Buschtaxi zu schauen. Das Auto steht dort noch, genau wie abgestellt. Es wurde mit einer Plane abgedeckt und mit Absperrungen gesichert. Die Dame von der Rezeption freut sich, uns zu sehen. Sie sagt als erstes, jemand sei in das Auto gefahren. Hannes hält das erst für einen Scherz. Glücklicherweise war nur das Rücklicht gesprungen und wurde vom Management sofort durch ein Neues ersetzt. Die Absperrungen wurden vermutlich erst danach aufgestellt.

Nächsten Tags beginnen wird die Jagd nach den Visa. Mittlerweile sind wir dabei gelassener und etwas routinierter. Svenja füllt sämtliche Formulare aus, während Hannes, seriös im Anzug, mit den Beamten über alles Mögliche, vor allem Fußball redet. Dank unserer beiden Pässe können wir  Visa Anträge in zwei Botschaften parallel abgeben.

Innerhalb von 24 Stunden haben wir gleich drei Visa in unseren Pässen. Mali und die Elfenbeinküste, durch diese Länder wollen wir nach Ghana fahren. Dazu zur Sicherheit noch das Visum für Burkina Faso. Der einzig mögliche alternative Weg, falls wir unterwegs das Ghana Visum nicht bekommen sollten. Hier in Dakar will man es uns nicht geben, als Deutsche sollen wir es doch in Berlin beantragen

Abends gehen wir in eine Bar Fußball schauen. Die Spiele der EM werden überall übertragen, viele Afrikaner sind Fans der deutschen Nationalmannschaft.

Svenja macht am folgenden Tag das Auto startklar. An einer Tankstelle wird das Buschtaxi von innen geputzt. Wenn man aus Deutschland kommt, erscheint es einem dreckig. Bei der Abreise hat es uns nicht gestört.

Die Freude über endlich saubere Scheiben ist am nächsten Tag schon dahin. Vor unserem Hotel will sich ein Junge etwas Geld verdienen und „putzt“ über Nacht die geparkten Autos mit seinem ölverschmierten Lappen.

Übernachtung: Casa Mara Guesthouse (1)

18. Juni 2016, Reisetag: 81
Kaolack, Senegal

Endlich können wir von Dakar aus starten. Die Strecke kennen wir schon, nachdem wir das letzte Mal von der malischen Grenze zurückgeschickt wurden.

Zur richtigen Einstimmung auf Afrika verschluckt uns gleich der Verkehr der Großstadt, wir stehen die ersten Stunden im Stau. Alle fahren gleichzeitig in den Kreisverkehr, den Knoten zu lösen erfordert stundenlanges Palavern. Es wuselt nur so von Menschen um uns. Am Straßenrand werden sämtliche Waren angeboten. Ein Mann wäscht sich vor unserem Auto Füße und Gesicht, um anschließend dort zu beten. Hinter uns fährt ein Pferdekarren, unsere Rückfahrkamera zeigt ein schlechtes Pferdegebiss an der Scheibe. Unzählige Mopeds, einige meterhoch beladen, schlängeln sich zentimetergenau an uns vorbei.

Auf der Weiterfahrt sehen wir etwas Neues, obwohl wir mittlerweile schon einiges im afrikanischen Straßenverkehr gesehen haben. Einem entgegenkommenden Auto fliegt die Motorhaube auf und bleibt auf der Frontscheibe liegen. Scheinbar ziemlich darin geübt, hält der Fahrer ohne etwas zu sehen am Straßenrand und behebt den Schaden mit einem Strick, vermutlich nur für kurze Zeit. LKW im Strassengraben sind dagegen schon alltäglich.

In den Dörfern besteht unsere Kommunikation manchmal nur aus: „Ziege!“ „Huhn!“, „Schwein!“  und „Die besonders dummen Viecher!“. Damit sind Schafe gemeint, die einfach weiter blindlings über die Straße trotten. Alle anderen Tiere weichen aus oder gehen zur Seite. Bis auf die Esel natürlich, die stur in der Mitte der Straße stehen bleiben, bis wir sie fast mit der Stoßstange antippen. Die Einheimischen wählen eine andere Taktik, sie fahren ungebremst auf alle Tiere frontal zu, dabei permanent hupend.

Wir schaffen es heute nicht mehr bis zum Planziel Kedougou. Als Übernachtung bleibt hier nur Kaolack. Wir haben die Stadt als dreckig und abstoßend in Erinnerung. Umso mehr freuen wir uns über die dort gefundene schöne Bleibe.

Übernachtung: Le Relais de Kaolack (3)

19. Juni 2016, Reisetag: 82
Kedougou, Senegal

Für den Rest bis Kedougou brauchen wir neun Stunden. Bei der Durchfahrt des Nationalpark Niokolo Koba treffen wir wieder unsere Freunde auf der Straße, Paviane. Im Monat Ramadan ist es schwierig, tagsüber etwas zum Essen zu finden. Einzig der uns schon bekannte Trucker Stopp hat auf, wir freuen uns wieder über die leckeren gekochten Bohnen mit Baguette.

Auf der ganzen Strecke gibt es keine einzige Polizeikontrolle mehr. Ramadan hat für uns offenbar auch etwas Gutes.

Übernachtung: Le Relais de Kedougou (3)

20. Juni 2016, Reisetag: 83
Bamako, Mali

Heute haben wir wieder einen weiten Weg vor uns. Die Sicherheitslage in Mali ist schwierig. Auch wenn der Süden, durch den wir fahren nicht betroffen ist, wollen wir ohne Übernachtung nach Bamako kommen, dort die nötigen Visa besorgen und so bald wie möglich in die Elfenbeinküste weiterreisen.

Kurz vor der Grenze kommen wir durch die Stadt Karakena. Hier sollen angeblich Goldgräber wohnen. Wir vermuten eher ein riesiges Flüchtlingslager. Eine große Fläche wurde seit unserem letzten Besuch planiert. Keine einzige Hütte steht mehr, auf dem Gelände suchen Menschen nach ihren Habseligkeiten.

Die Grenze zu Mali kennen wir schon, diesmal geht alles schnell. Svenja muss den Beamten wieder erklären, wie sie das Carnet des Passages ausfüllen. Viele Touristen kommen hier anscheinend nicht vorbei. Nach der Grenze wird noch eine Straßengebühr von 500 CFA (75 Cent) kassiert. Angesichts der hochoffiziell wirkenden Quittung ist sie vermutlich berechtigt. Die Asphaltstraße ist dafür auf der ganzen Strecke auch in hervorragendem Zustand.

Anders als im Senegal ist die Gegend nicht vollständig flach. Einzelne Hügel und flache Felsformationen machen das Landschaftsbild interessanter. Die einfachen, sehr hübschen Dörfer bestehen aus kleinen, kreisrunden, strohgedeckten Lehmhütten. Charakteristisch sind hier die vielen Rundöfen.

Es ist über 40° heiß und wird zunehmend schwüler. Die Regenzeit hat sich in den letzten Jahren nach hinten verschoben, der erste große Monsunregen ist bisher noch ausgeblieben. Er lässt sich aber schon förmlich in der Luft spüren. Wir sind froh, die langen Strecken noch trocken fahren zu können.

Auf der Fahrt hören wir die Musik Habib Koités. Der malische Musiker ist das kulturelle Aushängeschild seines Landes. Eines seiner Lieder, „On My Way to Bamako“, passt hervorragend. Es wird unser Lieblingslied auf der Fahrt.
Hier zu sehen (Habib Koité sitzt links):

Kurz vor Dunkelheit erreichen wir Bamako und übernachten in dem von den meisten Afrika Fahrern genutzten Camp „Sleeping Camel“. Es liegt genau neben der deutschen Botschaft, die wie eine Kaserne gesichert ist.

Übernachtung: The Sleeping Camel (2)

21. Juni 2016, Reisetag 84
Bamako, Mali

Wir versuchen unser Glück erneut in der ghanaischen Botschaft. Dort treffen wir gleichzeitig mit dem im Mercedes chauffierten, akkurat gekleideten Botschafter ein, der uns freundlich mit Handschlag begrüßt. Auch hier wird uns gesagt, wir sollen den Antrag zu Hause stellen. „Wir sind aber auf Reisen und haben kein zu Hause mehr“. Ein freundliches Schreiben mit dieser Erklärung an den Botschafter, fünf Passbilder, fünf ausgefüllte Anträge pro Person, einem Einladungsschreiben eines Ghanaers, den wir im Internetforum gefunden haben, und 45 Euro pro Person später haben wir das Visum.

Es ist eines der schwierig zu bekommenden Visa auf der Westroute durch Afrika. Ghana, Nigeria, Demokratische Republik Kongo (DRC) – es gibt noch einen anderen Kongo, wie wir durch die unzähligen Blicke auf die Afrikakarte mittlerweile gelernt haben –, Angola und das schwierigste, Guinea Äquatorial. Letzteres und Ghana sind für die Route nicht unbedingt nötig. Hannes Sportsgeist und Länderpunkte Sammelwahn lassen ihm aber keine Ruhe. Er tauft diese fünf Länder seine Big Five der Visa Jagd.

In der Botschaft von Nigeria geben wir das Formular und je zwei Passbilder ab. Wir sitzen lange mit dem Sicherheitsmann im Wachraum und warten auf eine Antwort des Botschafters. Durch die Unterhaltung vergeht die Zeit schnell. Der junge Mann spielt uns Musik aus Mali vor und erklärt uns die einheimischen Instrumente. Die Tamtam, welche, der Redewendung entsprechend, ordentlich Krach macht , die Djembé, eine Ziegenfell Trommel für den tiefen Bass, und das Balafon, ein Xylophon mit Kürbissen als Klangkörper. Einen Tag später haben wir auch das nigerianische Visum, wenn auch nur mit drei Monaten Gültigkeit. Wir sind überglücklich, die Schweizer, deren Eltern wir in Spanien kennen gelernt hatten, mussten ihr Auto von Togo nach Namibia verschiffen, weil sie es nicht bekommen hatten.

Während der Tage im „Sleeping Camel“ treffen wir keinen einzigen Touristen. Das Camp ist bewohnt von Mitarbeitern diverser NGO, deutschem Botschaftspersonal, mehreren UN-Soldaten und europäischen Polizisten.

Mit dem holländischen Polizisten Henk verbringen wir zwei Abende. Er arbeitet hier zur Fortbildungen von einheimischen Polizeikräften. Richtig viel ausrichten kann er nicht, wann immer er Korruption oder andere Missstände anspricht, kommt er über ein verständnisvolles Nicken der Vorgesetzten nicht hinaus.

Zum EM Länderspiel Schweden-Belgien kommen UN-Soldaten aus diesen Ländern in das Camp. Wir erfahren einiges über den Konflikt im Norden Malis. Dort herrscht Bürgerkrieg zwischen verschiedenen Gruppen. Meist geht es um territoriale Ansprüche und Schmuggel, weniger um Religiöses. Es vermischen sich Terroristen und Kriminelle mit den traditionellen Stammeskonflikten. Dabei ist es unmöglich, die Motive und Gruppen auseinander zu halten. Die französische militärische Intervention in dieser Gegend hat offensichtlich eher etwas mit Sicherung der eigenen nationalen Interessen als mit Terrorbekämpfung zu tun.

Die UN-Soldaten sind eigentlich zur Friedenssicherung in Mali. Die Soldaten beklagen sich, die UN sei zwar sehr gut über die Lage informiert und bestens ausgerüstet, ein konkret definiertes Ziel fehle aber in ihrem Mandat. Militärische Einsätze werden möglichst vermieden, trotzdem fordert der Einsatz in Mali mit Abstand die meisten Todesopfer aller Blauhelm Missionen. Jeder der Soldaten war schon auf einer Begräbniszeremonie, die Opfer sind so gut wie immer die viel schlechter ausgerüsteten UN-Soldaten aus Entwicklungsländern wie Bangladesch oder Nigeria.

Einhellige Meinung aller hier arbeitenden Ausländer ist, der Westen solle sich entweder aus den Gebieten zurückziehen oder konkret selbst die politische Leitung übernehmen.

Übernachtung: The Sleeping Camel (2)

22. Juni 2016, Reisetag: 85
Bamako, Mali

Wir unternehmen noch eine schnelle Stadtbesichtigung. Wie in den meisten afrikanischen Großstädten sind viele Straßenkinder unterwegs. Kleine Kinder, die zu allen Tages und Nachtzeiten an den Straßenecken betteln und Verse des Korans vor sich hersagen. Sie werden Talibes genannt. Eltern aus ländlichen Gebieten schicken ihre Kinder auf Islamschulen in der Hoffnung, sie seien dort gut aufgehoben. Oft werden die Kinder von den Imamen zum Betteln geschickt. Sie müssen täglich ihren Betrag abliefern, sonst werden sie geschlagen.

Aus der Blüte des mittelalterlichen Reiches Mali geht eine lange Tradition von Musik, Tanz und Theater hervor. Leider findet im Monat Ramadan nichts davon statt. Im Nationalmuseum können wir uns zumindest einen kleinen Einblick des Vergangenen verschaffen.

Svenja zieht es noch auf den großen Markt. Das Treiben hier ist einfach unbeschreiblich. Er ist voller Menschen und Händler. Mittendrin steht ein Laster, der gerade Waren auslädt. Ein Vorbeikommen ist unmöglich. Man kann an den Ständen auch nicht stehen bleiben, die Masse schiebt einen einfach weiter. Die Menschen kommen offensichtlich nicht einfach zum Bummeln, sondern erledigen ihren Einkauf und gehen sofort wieder.

Wir wollen so direkt wie möglich weiter in die Elfenbeinküste. Aufgrund der Sicherheitslage in Mali können wir leider keine anderen Sehenswürdigkeiten des sicher sehr interessanten Landes besuchen. Darunter die legendäre Stadt Timbuktu, die Große Moschee von Djenné und die Bergdörfer der Dogon. Ob wir sie zu Lebzeiten je sehen können, ist fraglich.

Wir treffen letzte Vorbereitungen zur Weiterreise, darunter den Wassertank des Toyo aufzufrischen. Svenja fragt sich: „Wo können wir den Tank leeren? Es sind 90 Liter und ich kann doch hier nicht den Parkplatz überfluten?“ Die Frage an einen Angestellten weitergegeben, wird afrikanisch pragmatisch die kleine Gartenanlage bewässert.

Übernachtung: The Sleeping Camel (2)

23. Juni 2016, Reisetag 86
Grenze Cote d’Ivoire

Um nicht unterwegs in Mali übernachten zu müssen, stehen wir bei Sonnenaufgang auf. Bis zur Grenze der Elfenbeinküste brauchen wir neun Stunden. Wir nehmen die Route über Sarasso, da die anderen Strecken angeblich bei Schmugglern beliebt sind. Unser Frühstück besteht wieder aus Bohnen mit Baguette für 15 Euro Cent am Straßenrand.

An der Grenze zeigt unser Tacho 15.000 km. Die malischen Grenzbeamten freuen sich über den augenscheinlich sehr seltenen Kontakt zu europäischen Touristen: „Stimmt es, dass ein Mann in Deutschland nur eine Frau haben darf?“. Kopfschüttelnd raten sie Hannes, unbedingt hier zu bleiben und Svenja nach Hause zu schicken. Hier könne er sehr günstig mehrere Frauen haben und ein Dutzend Kinder dazu. Nicht allzu traurig, dem Vorschlag nicht nach zu kommen, gelangen wir problemlos über die Grenze.

Verschiedene Eidechsenarten begleiten uns noch die nächsten Wochen. Wir mögen sie und sehen sie als unsere Haustiere.