Benin
10. Oktober 2016, Reisetag: 140
Cotonou, Benin
An der Grenze nach Benin herrscht reger Verkehr. Die Abwicklung ist auf beiden Seiten professionell und freundlich. Unsere Ausreise aus Togo dauert jedoch länger, weil wir das Visum um einen Tag überzogen haben. Auch Hannes leicht geschummelte Erklärung, wie man angeblich juristisch korrekt Fristen berechnet, nützt nichts. Es kostet nochmal 10.000 CFA (15 EURO) gegen Beleg. Wir haben keine CFA mehr, ein Beamter führt Svenja netter Weise persönlich auf den Schwarzmarkt und weist den Händler an, uns ja einen guten Wechselkurs zu geben.
Der erste Eindruck Benins ist überraschend. Das Land wirkt aufgeräumter und entwickelter als Togo. Die Straße ist in perfektem Zustand, wir sehen sauber voneinander abgetrennte Ackerflächen mit Feldarbeitern und Traktoren bei der Arbeit. „Sie mal, die haben sogar einen bayerischen Fendt Traktor hier, unglaublich“, meint Hannes überrascht.
Auf der Küstenstraße halten wir in Ouidah zur Besichtigung des “Museum of History”. Es ist im einzig erhalten gebliebenen europäischen Fort Benins untergebracht. Die portugiesische Anlage ist auch hier ein Erinnerungsort an das traurige Geschichtskapitel des europäischen Sklavenhandels. Das Museum ist sehenswert, Hannes ist allerding mehr von den alten Seekarten begeistert, als von den Exponaten zur Sklaverei. Gut gefällt uns beiden die Fotoausstellung zu den Einflüssen der verschifften Sklaven auf die Kultur in der neuen Welt. Die Naturreligion des Voodoo gelangte mit ihnen nach Westen und hat dort noch heute große Bedeutung, vor allem in der Karibik.
Die Stadt hatte früher vermutlich viele Touristen, entsprechend aufdringlich sind hier einige falsche Führer unterwegs. Obwohl es eigentlich zu spät ist, fahren wir deswegen weiter. Statt der Hauptstraße entscheiden wir uns für eine Strandpiste. Sie führt durch einfache, offensichtlich sehr arme Fischerdörfer, deren Einwohner keinen besonders einladenden Eindruck auf uns machen. An dem gesamten Küstenabschnitt sind viele verfallene Häuser zu sehen, leider auch unser Übernachtungsplatz im Camp eines Schweizers („Jardin Helvetica“). Es wurde vom Eigentümer aufgegeben, vermutlich aufgrund des Ausbleibens der Touristen, wie in ganz West Afrika.
Wir müssen weiter nach Cotonou und kommen dort erst bei Dunkelheit an. Der Stadtverkehr ist hektisch, die unzähligen kleinen Motorräder fordern unsere ganze Aufmerksamkeit. Wir mieten uns in einem luxuriösen Hotel mit Blick auf das Meer ein. Erst am nächsten Tag fällt uns auf, wie extrem die Unterschiede hier sind. Von der Terrasse des Hotels blicken wir auf die Armenviertel der Stadt, gerade mal ein paar hundert Meter entfernt.
Übernachtung: Hotel du Lac (1)
11.-12. Oktober 2016, Reisetag: 141-142
Cotonou, Benin
Noch in München hatte Svenja Besuche bei einigen gemeinnützigen Organisationen arrangiert. Darunter vor allem das Hospitalschiff „Mercy Ships“. Sie ist eine unglaublich faszinierende Einrichtung, auf deren Besuch wir uns sehr freuen. Die Trägerstiftung hat ihre deutsche Niederlassung bei uns vor der Haustür, im bayerischen Kaufbeuren. Sehr professionell wurde dort unserer Besuchsbitte mit einem ausführlichen Führungsprogramm entsprochen.
Voller Erwartung stehen wir pünktlich um 11:00 Uhr vor der Sicherheitskontrolle des Hafens. Eine amerikanische Mitarbeiterin holt uns ab, sehr zu unserer Freude mit einem Buschtaxi, wie es sich für jede anständige ausländische Organisation in Afrika gehört. Svenja hat sich scheinbar vorgenommen, das schwimmende Krankenhaus auch aus eigener Erfahrung zu erleben. Beim Einsteigen in den Toyota stößt sie sich ziemlich heftig den Kopf. Aus der Platzwunde rinnt sofort Blut über das Gesicht. Aber natürlich ist sie nicht selbst daran schuld, wie sie sofort Hannes erklärt: „Das kommt nur davon, weil unser Auto viel höher ist, als dieses hier.“ Ganz unrecht hat sie damit nicht. Keines der Buschtaxis, die wir in Afrika gesehen haben, hat ein so hohes Fahrwerk.
So kommen wir in den „Genuss“ eines um die Behandlungsstation für Crewmitglieder erweiterten Besuchsprogramms. Svenjas Verletzung ist glücklicherweise nicht schlimm. Ohne zu nähen, wird sie bepflastert und mit allseitigen Mitleidsbekundungen sowie ärztlicher Erlaubnis auf die Besichtigungstour entlassen.
„Das ist einfach sensationell. So etwas perfekt Organisiertes habe ich im Beruf noch nie bei irgendeiner Firma gesehen“, meint Hannes gegen Ende unseres Besuchs beim Essen in der Schiffskantine mit deutschen Mitgliedern der Crew. Die Stiftung leistet Unglaubliches. Jedes Jahr fährt „Mercy Ships“ ein anderes afrikanisches Land an. Monate zuvor werden Teams zur Vorbereitung vorausgeschickt. Kommt das Schiff an, sind bereits mehrere Häuser in Hafennähe renoviert und zu Unterkünften für weit anreisende Patienten und zu einer Zahnklinik umgebaut. Potentielle Patienten aus dem ganzen Land wurden ausgewählt und in den Terminplan für die Operationen eingeplant. Bis zur letzten Kleinigkeit wird alles vorbereitet, sogar die nationalen Nummernschilder für die Crewfahrzeuge liegen bei Ankunft des Schiffes bereit.
Ist das Schiff da, wird sofort behandelt. Fast nur komplexe Operationen schwerster körperlicher Leiden, auf medizinischen Niveau der Industriestaaten. Pro Jahr werden gut 1.200 Patienten operiert und medizinisch betreut, von der Voruntersuchung bis zu Reha. Das Schiff verfügt über die Ausstattung eines guten deutschen Krankenhauses, einschließlich Computertomographie, Labor und Apotheke.
Bei unserer Tour werden wir durch alle Bereiche des Hospitalschiffes geführt. Anhand der Geschichte eines Patienten bekommen wir eine kleine Vorstellung davon, was es für den Betroffenen bedeutet, sich hier behandeln zu lassen. Keiner von ihnen könnte sich auch nur die erste Untersuchung jemals leisten. Die meisten haben noch nie einen Arzt, geschweige denn ein Krankenhaus gesehen. Durch das Fenster eines der vier Operationssäle beobachten wir, wie ein Dolmetscher für eine der unzähligen afrikanischen Sprachen jeden Schritt vor der Operation erklärt, um dem Patienten etwas Angst zu nehmen.
Die Mitarbeiter des Mercy Ships kommen aus verschiedenen Nationen. Über Unterschiede der Sprache und der medizinischen Ausbildung hinweg, müssen alle in dauernd wechselnden Teams miteinander arbeiten. Fast alle hier sind ehrenamtlich auf Zeit tätig. Vom Bordelektriker bis zum Chirurgen. Von zwei Wochen bis zu mehreren Jahren. Der gerade pensionierte leitende Chirurg war dreißig Jahre mit seiner Familie auf dem Schiff. Seine Kinder gingen nur auf die bordeigene Schule, vom Kindergarten bis zum anerkannten High-School Abschluss. Ehrenamtlich bedeutet für die Crew nicht nur keine Entlohnung. Für Kost und Logis muss jeder selbst bezahlen. Alle anderen Kosten des Schiffes werden aus Spenden finanziert.
„Es ist unglaublich, zu wieviel Gutem Menschen in der Lage sind, wenn sie nur wollen. Und gleichzeitig zu so viel Schlechtem, wie wir es auf unserer Reise gesehen haben. Warum kann es nicht öfters so wie hier sein?“, fragen wir uns abends im Hotel. „Mercy Ships“ ist unserer Meinung nach eine der ganz wenigen sinnvollen gemeinnützigen Tätigkeiten in Afrika. Sie wäre ein so schönes Beispiel für weitere Projekte. Für eines ist sie es schon. Die Stiftung hat ein zweites Schiff in Auftrag gegeben für 120 Millionen Dollar, vollständig aus Spenden finanziert. Es ist das erste schon als Krankenhaus geplante Schiff der Welt. „Mercy Ships 2“ wird gerade in China gebaut.
Übernachtung: Hotel du Lac (1)
13. Oktober 2016, Reisetag: 143
Abomey, Benin
Unser nächstes Ziel liegt 130 km nördlich von Cotonou. Es ist Abomey, die alte Hauptstadt des Königreichs Dahomey, dessen Palastanlagen dort zu besichtigen sind. Sie stehen auf der UNESCO Welterbe Liste.
Der TripAdvisor Empfehlung folgend, lassen wir uns bei der Touristen Information einen Führer vermitteln. Bonaventure, der einzig englischsprachige Führer wird für uns eiligst organisiert. Er kommt ursprünglich aus Togo, engagierte sich dort bei der Opposition und musste deswegen nach Benin fliehen. Heute ist er arbeitslos, träumt vom Aufbau seiner eigenen Farm und führt Touristen. Wir sind dieses Jahr erst seine dritten Kunden. „Kannst Du denn keinen Kredit bei der Bank für das Grundstück bekommen?“ fragt ihn Svenja beim Mittagessen, als er uns von dem Grundstück seiner Familie erzählt, auf dem er gerne eine Farm betreiben möchte. „Leider nein ohne schon reich zu sein, mit viel Sicherheiten, gibt hier keine Bank etwas“, antwortet er.
Nach dem Essen zeigt er uns einige Voodoo Tempel und drei der vielen Königspaläste in der Stadt. Von den meisten sind heute nur noch Mauerreste zu sehen. Die Lehmmauern sind in schlechtem Zustand. Ohne Schutz wäscht jede Regenzeit einen Teil davon weg. Mehrmals hat die UNESCO Gelder für Schutzdächer gegeben, die jedoch jedes Mal abgebrannt sind. Kinder zündeten das umliegende Gras an, um Kleintiere zum Essen zu fangen.
Lediglich ein restaurierter Palast gibt einen Eindruck von der einstigen Pracht der Königsstadt. Durch mehrere Mauerringe und Höfe gelangen wir in den inneren Bezirk. Dort sehen wir das Grab des Königs in einem runden Lehmgebäude. Früher wurden mit dem Verstorbenen 41 seiner Ehefrauen lebendig begraben, die Zahl gilt den Nachkommen der Dahomey noch heute als heilig. Heute werden stattdessen Tiere geopfert, deren Schädel man vor die Grabstätte aufgestellt hat, um den Touristen klar zu machen, dass es keine Menschenopfer mehr gibt. Auch sonst ging der Königshof nicht sehr zimperlich mit Menschen um. Im Hof sehen wir viele portugiesische Kanonen, die angeblich gegen jeweils 21 hübsche Sklavinnen eingetauscht wurden.
Bonaventure will uns noch den Markt für Voodoo Fetische zeigen. Benin gilt als Geburtsstätte des Voodoo, der noch heute eine der staatlich anerkannten Religionen ist. „Geh du bitte alleine. Das sind vor allem tote Tiere, ich mag sowas nicht sehen“, bittet Hannes Svenja und ist sehr froh darüber, als sie ihm später von den Hundewelpen erzählt, die in winzigen Käfigen angeboten werden.
Übernachtung: Chez Monique Auberge a La Lune (5)
14. Oktober 2016, Reisetag: 144
Kétou, Benin
Hannes ist früh wach, sitzt lange alleine am Tisch vor der Rezeption und studiert unseren Reiseführer für Kamerun. Als Svenja später dazu kommt, schimpft er über die Unterkunft, eine der schlechtesten auf der ganzen Reise: „So langsam nerven die mich echt. Warum machen die nie, was man will. Fünfmal habe ich ihnen gesagt, dass wir nicht frühstücken wollen, aber ich hätte gerne einen Kaffee. Jetzt stellen sie zwei Frühstück an einen ganz anderen Tisch mit allem Möglichen, nur keinen Kaffee.“
Seine Laune ist bald danach wieder gut, als Bonaventura uns abholt. Wir nehmen ihn heute nochmal als Führer für den halben Tag, vor allem, weil wir ihn unterstützen wollen. Er zeigt uns das Palastmuseum. Die Exponate illustrieren die Geschichte des Königreichs gut, auch wenn keine herausragenden Stücke darunter sind.
Zum Abschied besuchen wir die Galerie eines Künstlers aus Cotonou, der neben seinen Arbeiten mehrere lokale junge Künstler ausstellt. Bis auf wenige gefallen sie uns nicht besonders.
Auf der Fahrt nach Kétou, unserer letzten Station in Benin sind, wie fast überall in Westafrika, unzählige Kirchen und verschiedene Sekten zu sehen. Beerdigungen sind angeblich die wichtigsten Zeremonien, sie gehen über viele Tage. Für die oft mehreren hundert Teilnehmer wird eigens festliche Kleidung angefertigt. Viele verschulden sich über Jahre. Wir erinnern uns an die Worte Alices in Lomé: „Für die Kranken haben sie zur Behandlung kein Geld. Erst wenn sie tot sind, wird viel ausgegeben. Sowas kann mich unglaublich ärgern.“
Beim Abendessen sagt Hannes: „Ich wäre wirklich froh, wenn wir es schon hinter uns hätten.“ Damit ist unsere Fahrt durch Nigeria gemeint, die wir morgen in aller Herrgottsfrühe angehen wollen.
Übernachtung: Residences Celine Hotel (2)